Harzer Holzhandwerk seit 1815
„Die Jahre sind wie im Flug vergangen“, sagt Tischlermeister Frank Scharun (50), während er in der Jubiläumsbroschüre blättert. Als Inhaber der Tischlerei Edert führt er den ältesten Handwerksbetrieb der Stadt Elbingerode (Harz). Bereits 200 Jahre liegt die Gründung des Traditionsunternehmens zurück. In der Broschüre hat Altmeister Ernst Wilhelm Edert (90) auf 66 Seiten seine Erinnerungen zur Geschichte der Tischlerei niedergeschrieben – eine Zeitreise durch zwei Jahrhunderte.
Tischlermeister Johann Carl-Wilhelm Anger gründete am 2. Februar 1815 seine gleichnamige Tischlerwerkstatt und gab sie später an seinen Sohn August Anger weiter. Im Jahr 1887 erhielt die Tischlerei ihren heutigen Namen, denn August Angers Schwiegersohn Ernst Edert trat die Nachfolge an. Unter seiner Leitung erlitt die Tischlerei ihren größten Schicksalsschlag. Ein Brand vernichtete 1911 Wohnhaus und Werkstatt der Ederts. Ein Jahr später errichte Ernst Edert eine neue Werkstatt, die er bis zu seinem Tod 1917 betrieb.
Nach Ende des Ersten Weltkrieges übernahm Ernst Ederts Sohn, Wilhelm Edert, den Betrieb und schaffte moderne Maschinen an. So auch die heute noch funktionstüchtige Bandsäge aus dem Jahr 1927. Die 1920er-Jahre waren durch Inflation und Lebensmittelknappheit geprägt. Tauschgeschäfte waren an der Tagesordnung. So tauschte der Tischlermeister etwa sechs Stühle gegen sechs Zentner Korn ein.
Wilhelm Edert führte den Betrieb durch die Wirren des Zweiten Weltkrieges, bis 1957 sein Sohn Ernst-Wilhelm Edert folgte. Er blieb sich und seiner eigenen Firma treu, auch wenn die DDR die Vorteile der Produktionsgenossenschaft des Handwerks propagierte.
Mit Eintritt in das Rentenalter übergab Ernst-Wilhelm Edert die Tischlerei 1990 an seinen Sohn Andreas Edert. Er brachte die Firma mit Erfolg durch die schwierigen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Wendezeit.
2007 übernahm Tischlermeister Frank Scharun die Firmenleitung, nachdem er bereits 25 Jahre im Betrieb gearbeitet hatte. Nach sorgfältiger Einarbeitung durch Andreas Edert führt er die Firma bis heute unter dem traditionsreichen Namen fort.
Frank Scharun modernisierte die Werkstatt und erweiterte den Maschinenpark. Besonders stolz ist er auf eine hochmoderne Ganner CNC-Maschine zur Möbelproduktion, die er 2014 erwarb. Das Leistungsspektrum der Bau- und Möbeltischlerei umfasst neben individueller Möbelanfertigung auch den Innenausbau von Räumen bis hin zur Restauration von Möbeln.
In der Tischlerei arbeiten aktuell drei Gesellen, zwei Auszubildende und Frank Scharuns Sohn Hendryk (26). „Hendryk hat einen sehr guten Meisterabschluss gemacht. Es wäre natürlich schön, wenn er den Familienbetrieb später übernehmen würde, aber es ist kein Muss“, erzählt Frank Scharun.
Die Erfolgsgeschichte der Tischlerei Edert ist auch nach 200 Jahren noch lange nicht zu Ende. (cr)
(Veröffentlicht im "Handwerk in Sachsen-Anhalt", Ausgabe 04 vom 12.02.2015)