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Die Krise im Blick behalten

Die Krise scheint das neue Normal. Rechtsanwältin Franziska Jahn erklärt, wie Unternehmer und Unternehmerinnen gegensteuern können.

Was muss ich als Unternehmer aktuell alles beachten, um Krisenabwehr zu betreiben?

Liquidität planen, Forderungen reinholen und Preise erhöhen – gleichwohl die meisten Maßnahmen banal klingen, hakt es zumeist bei ihrer Umsetzung. Franziska Jahn, Fachanwältin für Insolvenzrecht, Insolvenzverwalterin und zertifizierte Restrukturierungs- und Sanierungsberaterin, resümiert: "Wichtig ist es, den Ernst der aktuellen Situation zu erkennen und tatsächlich aktiv zu werden, Gespräche zu führen statt abzuwarten. Das A und O ist eine vorausschauende Finanzplanung. Damit sollte man nicht erst anfangen, wenn das Geld knapp wird."

Zudem rät Jahn, eine Liquiditätsplanung für die kommenden vier Monate zu machen. Dabei sollten die Unternehmer von konservativen Annahmen ausgehen: "Die Kunden zahlen später als vertraglich vereinbart, eigene Verbindlichkeiten werden pünktlich beglichen." Optimal sei eine 12- bis 18-Monats-Planung, die dann fortlaufend an die aktuelle Situation angepasst wird.

Die Banken dürften in nächster Zeit immer verhaltener bei der Kreditvergabe vorgehen. "Daher sollten die Unternehmer anfangen sich mit alternativen Finanzierungsquellen, wie sale and lease back, Factoring, Finetrading (Vorfinanzierung von Lagerbestand), Beleihung vorhandener Immobilien und Maschinen zu beschäftigen", sagt Jahn.

Viel Fingerspitzengefühl ist bei Kundengesprächen gefragt, um die gestiegenen Kosten weiterzureichen. "Viele Unternehmer tun sich schwer, im Hinblick auf eine gute Geschäftsbeziehung, eventuell schon zum zweiten oder dritten Mal in diesem Jahr über höhere Preise sprechen zu müssen," meint Jahn. Doch jeder Tag der untätig vergeht, koste unter Umständen Geld. Kontrakte mit variablen Preisen stellten eine faire Möglichkeit für beide Seiten dar. So müsse nicht immer wieder nachverhandelt werden.

Woran merke ich, wie schlimm es um mein Unternehmen steht? Welche ersten Alarmzeichen sollte ich beachten?

Franziska Jahn verweist darauf, dass eine Unternehmenskrise nicht über Nacht kommt, sondern sich über einen längeren Zeitraum ankündigt und verschiedene Krisenstadien durchläuft. "Wie gut ein Unternehmen durch die Krise kommt, hängt von vielen Faktoren ab. Einer davon ist Zeit. Ohne ein rechtzeitiges Gegensteuern spitzt sich die Situation zu und der Handlungsspielraum des Unternehmens wird zunehmend geringer. Der größte Fehler besteht darin, erst dann einzugreifen, wenn praktisch keine Liquidität mehr vorhanden ist."

Das Kernproblem ist Jahn zufolge, dass die betriebswirtschaftlichen Zahlen mit einem großen Zeitverzug reagieren. Wenn die Zahlen auf eine Krise hindeuten, sind die Krisenursachen häufig bereits voll zur Wirkung gekommen und können kurzfristig nicht behoben werden. "Wichtig ist es daher die Risiken möglichst früh zu erkennen" sagt Jahn.

Doch Unternehmenskrisen gehen mit entsprechenden Alarmsignalen und Warnzeichen einher. Spätestens im Rahmen der Produkt- und Absatzkrise, d.h. bei einem spürbaren Rückgang der Nachfrage sollte massiv gegengesteuert werden, da im nachfolgenden Krisenstadium der Ergebniskrise ein Rückgang der Gewinne und die Realisierung von Verlusten droht. Im eigenen Betrieb gelte daher ein Frühwarnsystem zu installieren, um bestandsgefährdende Risiken rechtzeitig zu erkennen.



Franziska Jahn, Fachanwältin für Insolvenzrecht
Franziska Jahn, Fachanwältin für Insolvenzrecht

 "Der finanzielle Status muss jederzeit genau im Blick behalten werden" so Jahn. Im Hinblick auf Vertragspartner rät Jahn, auf klassische Krisen-Indikatoren wie häufig wechselnde Ansprechpartner und Mitarbeiterfluktuation, Rückgabe von Lastschriften, häufige Mahnungen, Stundungs- und Ratenzahlungsersuchen oder ein verändertes Zahlverhalten zu achten.

Mein Kunde ist insolvent. Sollte ich ihn trotzdem noch weiter beliefern?

Sobald ein Insolvenzverwalter für den Kunden handelt, übt dieser nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens das sog. Erfüllungswahlrecht über noch nicht vollständig erfüllte gegenseitige Verträge aus. D.h. er kann frei entscheiden, ob er die Erfüllung oder die Nichterfüllung des Vertrages wählt. Wählt der Insolvenzverwalter die Vertragserfüllung werden die nach Insolvenzeröffnung entstandenen sog. Masseverbindlichkeiten regelmäßig aus der Insolvenzmasse gezahlt. "Wichtig ist es, den Insolvenzverwalter proaktiv zu kontaktieren, um die Vertragsbeziehung zu besprechen", ergänzt Rechtsanwältin Jahn.

Macht es in der Krise einen Unterschied, welche Rechtsform ich habe?

Wer dazu verpflichtet ist einen Insolvenzantrag zu stellen, regelt § 15a InsO. Demnach gilt die Insolvenzantragspflicht für juristische Personen. Konkret bedeutet dies, dass Kapitalgesellschaften der Insolvenzantragspflicht unterliegen. Dazu gehören u.a. die Rechtsformen GmbH, UG und der AG. Als Sonderfall ist auch die GmbH & Co. KG antragspflichtig.

"Von der Insolvenzantragspflicht ausgenommen sind Privatpersonen, Solo-Selbständige, Freiberufler sowie Personengesellschaften wie KG, OHG und GbR. Allerdings ist auch hier zu beachten, dass u.U. zivil oder auch strafrechtliche Konsequenzen drohen" sagt Rechtsanwältin Jahn.

 Bedeutet Insolvenz gleichzeitig das Ende für mein Unternehmen?

Die Insolvenzordnung bietet vielfältige Sanierungsmöglichkeiten. Die Unternehmer sollten die Möglichkeiten, die ihnen der Gesetzgeber im Bereich des Sanierungsrechts an die Seite gibt, kennen und, wenn nötig, zielgerichtet einsetzen. Dadurch kann aus manch auswegloser Situation ein echter Neuanfang werden. Wichtig ist es, frühzeitig geeignete Maßnahmen zu ergreifen.

Das Fazit der Expertin: Haben Sie die Zahlen im Blick - Planung  ist das halbe Leben! Und: Gehen Sie offensiv mit der Krise um, das gilt auch für sich abzeichnende Liquiditätskrisen.