Die Elbe kam durchs Hoftor
Wenn in Fischbeck der Deich bricht, läuft Schönfeld voll. Das wissen die alten Schönfelder Bauern, deren Vorfahren 1845 das letzte große Hochwasser in dem kleinen Ort erlebt haben. Wie schnell Schönfeld dann vollläuft, hat keiner gewusst, auch nicht Ernst Andersch (64), ehemaliger Bürgermeister und seit 1990 Inhaber einer Tischlerei in dem 200-Seelen-Dorf im Elbe-Havel-Winkel.
„Wir konnten die Werkstatt nur notdürftig sichern. Das Wasser kam sehr viel schneller und in viel größeren Mengen als erwartet. Der Deichbau war wichtiger. Fünf Grundstücke mussten geflutet werden, um das Dorf zu retten. Meines gehörte dazu“, sagt Ernst Andersch.
Vom Deich aus muss er am 12. Juni zusehen, wie sein Anwesen überflutet wird. Die Elbe kommt durch das Hoftor, reißt große Holzstapel wie Streichhölzer mit und bahnt sich einen Meter hoch ihren Weg durch die Werkstatt. Ernst Andersch kann nicht mehr tun, als Fotos von Weitem zu machen und zu hoffen, dass wenigstens die 27 000 Euro teure, erst im April angeschafte Kreissäge keinen Schaden nimmt.
Insgesamt zwei Wochen lang ruht die Produktion in der Tischlerei vollständig. Schönfeld ist zwar nicht zwangsevakuiert, aber im Ausnahmezustand. Anderschs Mitarbeiter sind mit dem Deichbau und ihren eigenen Familien und Grundstücken beschäftigt, der Strom ist abgestellt - auch im 700 Meter von der Werkstatt entfernten, glücklicherweise nicht überfluteten Bürogebäude neben dem Wohnhaus von Familie Andersch.
„Wollen wir weitermachen?“, fragt der Chef am 24. Juni seine sieben Mitarbeiter am ersten Arbeitstag nach dem Hochwasser. Alle wollen, sie stehen zur Firma. Nehmen Schippen, Besen und Eimer zur Hand, fegen die letzten Pfützen aus der Werkstatt, räumen Inventar hinaus, schlagen feuchten Putz von den Wänden, entfernen Trockenbau. „An Entlassung habe ich nie gedacht, ich brauche meine Männer, es muss weitergehen“, sagt der Ernst Andersch, der mitten im Chaos sehr gefasst wirkt.
Auch wenn die neue Säge unversehrt geblieben ist: 60 000 Euro Schaden hat das Wasser in der Werkstatt angerichtet, 30 000 Soforthilfe wurden beim Land beantragt. Die Stimmung vier Wochen nach dem schlimmsten Hochwasser seit 2002 ist optimistisch. Ernst Andersch: „Die Soforthilfe ist auf dem Konto, die Kammer steht uns zur Seite, wir arbeiten schon wieder Aufträge ab, die Kunden haben Verständnis, wir schaffen das.“ (ag)
Kontakt:
Tischlerei Ernst Andersch
Chaussee 6
39524 Kamern, OT Schönfeld
Telefon 039382 290
E-Mail TischlerAndersch@t-online.de