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Uwe Kraus

Eine Stadtführung in Quedlinburg der besonderen ArtBesuch bei den Ahnen

Tischlermeister Uwe Mintzlaff steht dicht umringt auf dem Quedlinburger Markt. Nein, es geht nicht um die Vergabe eines Termins beim Handwerker, aber durchaus um den goldenen Boden des Handwerks. Der profilierte Stadtführer lädt zu einer ganz besonderen Stadtführung ein. "Wir bieten einen Stadtspaziergang an, bei dem die Teilnehmer mit Bräuchen und Sitten der Handwerker vertraut gemacht werden." Kaum hat er sein erstes Begrüßungswort gesprochen, quatschen zwei historisch gewandete Frauen dazwischen. Als Meisterfrauen von damals müssten sie sich einfach einmischen. So beleuchten die Gästeführerinnen Regina Peukert als Witwe eines Schuhmachermeisters und Christa Schmidt aus "Weibersicht" das Leben von Handwerkerfamilien in Quedlinburg. Sie demonstrieren im Hoken, was Laden-Schluss ist, und erklären alte Redewendungen wie "Klappe halten", "auf den Tisch hauen" oder "übers Maul fahren".

Wie schnell ein Geselle festgenagelt und nach Fehlern zum "Schlitzohr" wird, wo etwas "auf die hohen Kante gelegt" wird, aber auch, wie eine Werkstatt preiswert weitergeführt wird, erfahren an diesem sonnigen Vormittag die reichlich 40 Gäste. Die wirken hellauf begeistert und sparen nicht mit für Lob für das Trio und die große Fachkenntnis des Handwerksmeisters über das Leben seiner fachlichen Ahnen. Ein Paar stupst sich im Schuhhof an. "Guck mal, da unterm Fenster, da hängt ein Leisten für Schuhe. Hast Du das schon mal gesehen?" Ein kurzes Kopfschütteln folgt. Uwe Mintzlaff erläutert – unterstützt von der Witwe des Schuhmachermeisters – wortgewandt das Handwerkerleben hier. Mit ausholender Bewegung weist er auf die Meisterhäuser. "Die stehen auf der Sonnenseite." Etwas makaber fügt er an: "Auch die Zugänge dorthin hatten nur Sarg-Breite." Dagegen beklagt die Witwe, dass sie nach dem Tod ihres Gatten in den Witwen-Sitz im Schatten umziehen musste. "Es war schon kein einfaches Leben. Der Meister hat die Schuhe angemessen und den Holzleisten hergestellt. Dann gab es 20 oder 30 Jahre Garantie drauf. Da kam – außer wenn zum Krieg ins Feld gezogen wurde und Stiefel nötig waren – der Kunde nicht mehr so oft.



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Uwe Kraus

"Die Meisterhäuser stehen auf der Sonnenseite." 

Uwe Mintzlaff, Tischler und Stadtführer



Uwe Mintzlaff verspricht seinen Begleitern eine kurze Handwerker-Führung. Mit 1.678 Schritten hält er sich auch daran, aber erklärt auf dem zweistündigen Exkurs, was die Morgensprache erzählt, was Innung, Gilde und Zunft unterscheidet und wer eher zu den wohlhabenderen oder unehrenhaften Meistern gehörte. Sechs Gildehäuser birgt die Altstadt – der Bäcker, Fleischer, Tuchmacher, Schmiede, Schuhmacher und Schneider. Jedoch zählt das Gildehaus zur Rose nicht dazu, auch wenn es so heißt. Es war eher eine Handwerkerherberge mit Herbergsmutter, -vater und manchmal kräftigen Schlägereien. Die Gewandschneider und Tuchmacher gelten als älteste Gilde in Quedlinburg, ziemlich reich noch dazu. 

Die Chroniken berichten, sie stellte meist den Bürgermeister der Stadt und stellte den Roland 1426 mitten auf den Platz vorm Rathaus. Wo heute die Sparkasse sitzt, traf sich einst die Schmiede-Gilde, deren Symbol, ein geschmiedeter güldener Stern, beim Umbau im Bauhausstil 1935 verschwand. Weniger wohlgelitten waren die Leinweber und Lohgerber. Als unehrbare Handwerker betrachtetedas Volk Müller, Zöllner und natürlich die gut verdienenden Henker. Es gab sogar Gilden ohne Haus. "Die trafen sich dann beim Gildemeister zu Hause," weiß der Tischlermeister von heute, der freimütig gesteht: "Mein Herz schlägt natürlich fürs Quedlinburger Fachwerk." So zeigt er auf das Kontorhaus in der Breiten Straße unweit vom Durchgang zum Schuhhof. "Die Etagen gliederten sich in Handeln, Wohnen und dem Lagern ganz oben, wo am Dacherker noch die Seilwinde zu erahnen ist."

Zu den "Gästen" von Uwe Mintzlaff gehört an diesem Tag sein Weggefährte und Nestor, der Quedlinburger Stadtführer Rüdiger Mertsch. Der kennt den Münzenberg wie seine Westentasche, hat als Tiefbauer und Landschaftsgestalter einst dort oben den ersten Kanaldeckel verlegt und unzählige Male als Nachtwächter Besucher durch die Stadt geführt. Seit damit Schluss ist, sendet er seinen Heimatfreunden jeden Samstag eine historische Botschaft, dieses Mal eine Sparkassenwerbung in Plattdeutsch. Schmunzelnd bittet der 84-Jährige, ein Wort korrekt niederzuschreiben: "Baufluchtlinienbegradigungsgesetz". Das hätte nämlich 1880 dafür gesorgt, dass in der Breiten Straße 49 die untere Etage zurückgebaut wurde und damit der bekannte Stelzfuß verschwand.

Tischlermeister und Stadtführer Mintzlaff freut sich über das große Interesse an seiner Spezialführung. "Ich merke, die Gäste interessieren sich nicht nur für alte Steine, sondern für die Leute, die diese Stadt gestaltet haben. Darum  geht es eben auch um Dispute, den alltäglichen Streit, aber auch um Liebeleien. Denn die Meistertöchter wollten ja auch gut unter die Haube kommen." 



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