Warum sollte eine beschränkte Bauvorlageberechtigung für Handwerksmeister und Bautechniker in der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt eingeführt werden?Bauvorlageberechtigung für Handwerksmeister
Die Bauvorlageberechtigung ist in den jeweiligen Bauordnungen der Bundesländer geregelt. In vielen westdeutschen Bundesländern sind auch Meister des Maurer- und Betonbauer-, des Zimmererhandwerks und staatlich geprüfte Techniker der Fachrichtung Bautechnik beschränkt bauvorlageberechtigt. Dies bedeutet, dass ein Meister oder Techniker bei kleineren Bauvorhaben die Baugenehmigung bei der Bauaufsichtsbehörde einreichen darf.
Warum sollte eine beschränkte Bauvorlageberechtigung für Handwerksmeister und Bautechniker in der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt eingeführt werden?
Auf Grund der Qualifikation der Handwerksmeister und Bautechniker
Unstrittig ist, dass aus bauordnungsrechtlicher Sicht eine ausreichende Qualifikation der Aufsteller von Bauvorlagen bei der Errichtung und Änderung von Gebäuden vorhanden sein muss. Die Zimmerer- sowie Maurer- und Betonbauermeisterverordnung wurde durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung beschlossen. Darin ist festgelegt, dass zum Zwecke der Meisterprüfung unter anderem folgende Fertigkeiten und Kenntnisse zu berücksichtigen sind:
"Pläne, Skizzen und technische Zeichnungen für Bauteile und Bauwerke, auch unter Einsatz von rechnergestützten Systemen, unter Berücksichtigung baurechtlicher Vorschriften erstellen, die für einen Antrag im baubehördlichen Genehmigungsverfahren und die Ausführung geeignet sind; Standsicherheits- und bauphysikalische Nachweise erstellen, statische Systeme erkennen und Plausibilitätsprüfungen durchführen."
In der Abschlussarbeit zur Meisterprüfung sind in jedem Fall als Planungsarbeiten Unterlagen für einen Antrag im baubehördlichen Genehmigungsverfahren zu erstellen.
Gleiches gilt für die Fortbildung zum Techniker. Sie umfasst ebenfalls Themen wie Entwurfslehre, Konstruktion, Statik, Haustechnik, Bauphysik, Umweltschutz etc. Das Forschungsinstitut für Beschäftigung Arbeit Qualifikation hat in einer Studie einen Vergleich der Fortbildung zum Bautechniker (Staatliche Technikerschule Berlin) mit dem Bachelorstudium des Bauingenieurwesens (TU Berlin) aufgestellt. Der Präsenzunterricht umfasst beim Vollzeitlehrgang zum geprüften Bautechniker(in) 2.720 Stunden und beim Bachelorstudiengang (Pflichtteil) 1.970 Stunden (beim Studium kommt noch ein variables Modul hinzu).
Bei bestandener Prüfung ist demnach anzuerkennen, dass die Meister und Bautechniker aufgrund ihrer hochqualifizierten Ausbildung in der Lage sind, entsprechende Bauwerke zu planen. Konsequenterweise sollten der Gesetzgeber dann auch die Voraussetzungen schaffen, dass sie die erstellten Planungsunterlagen zur Genehmigung vorlegen dürfen.
Der Meisterbrief sowie die Meisterpflicht im Handwerk sind Garant für Verbraucherschutz und Erhalt der Baukultur. Der Meister und der Techniker sind nach dem deutschen Qualifizierungsrahmen dem Bachelor gleichgestellt. Bachelorabsolventen des Hochbaus oder des Bauingenieurwesens erhalten nach einschlägiger zweijährige Berufserfahrung sogar die volle Bauvorlageberechtigung.
Unproblematisch wäre auch, dass die beschränkte Bauvorlageberechtigung die Berechtigung zur Erstellung bautechnischer Nachweise für Standsicherheit, Brandschutz etc. einschließt, da dies ebenfalls gelehrt wird. Unabhängig davon müssen alle Bauvorlageberechtigten ihre Grenzen kennen und bei Bedarf Fachplaner hinzuziehen. So wird ein bauvorlageberechtigter Architekt die statischen Berechnungen in den meisten Fällen nicht selbst vornehmen, sondern einen Statiker zu Rate ziehen. Ein Handwerksmeister arbeitet genauso gewissenhaft.
Auf Grund der Gleichbehandlung in den Bundesländern
Die Praxis aus anderen Bundesländern, in denen es eine beschränkte Bauvorlageberechtigung gibt, hat sich über viele Jahre bewährt. Es kann nicht sein, dass die Handwerksmeister und Bautechniker in Sachsen-Anhalt diskriminiert werden. Sie sollten die gleichen Rechte und Bedingungen wie ihre Berufskollegen erhalten. 29 Jahre nach der deutschen Einheit ist es an der Zeit, die Ungleichbehandlung abzuschaffen.
Ein Schritt in Richtung einheitlicher Bauordnungen
Regelungen dieser Art finden sich in den Bauordnungen der Länder Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg, Bremen, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Diese sind historisch gewachsen. Handwerksmeister haben schon, lange bevor es Architekten und Ingenieure gab, Bauwerke geplant und gebaut. Dieses Recht blieb hier weitestgehend erhalten.
Im Gebiet der ostdeutschen Bundesländer gab es während der DDR einen Bruch. Es herrschten im Bauwesen zentralistische Planungsstrukturen, die von Standards und Vereinheitlichungen geprägt waren. Kommunale Bauaufsichtsbehörden gab es nicht. Wenige Monate vor der Wiedervereinigung wurde eine Bauordnung eingeführt, die neben der Bildung und Arbeitsweise neuer Bauaufsichtsbehörden etc. auch die Regelung der Verantwortlichen der am Bau Beteiligten enthielt. Handwerker waren zu DDR-Zeiten von der Regierung nicht gern gesehen. Daher verwundert es nicht, dass die Bauordnung für sie keine beschränkte Bauvorlageberechtigung enthielt. Diese Bauordnung wurde später durch das Bundesland Sachsen-Anhalt übernommen und bildete die Grundlage für das heute in Sachsen-Anhalt geltende Baurecht.
Die in den letzten drei Jahrzehnten ausgebildeten Handwerksmeister und Bautechniker stehen ihren westdeutschen Kollegen in nichts nach und doch haben sie mit Auswirkungen aus früheren Zeiten zu kämpfen.
Die westdeutschen Bundesländer werden ihre Regelungen mit gutem Grund nicht abschaffen. Auf dem Weg zu einheitlichen Bauordnungen der Bundesländer sollte eine beschränkte Bauvorlageberechtigung für diesen Personenkreis in allen ostdeutschen Bundesländer eingeführt werden. Auch die Musterbauordnung sollte entsprechend angepasst werden.
Wertschätzung des Bauhandwerks
In den Kammerbezirken der Handwerkskammer Halle (Saale) und Magdeburg geht die Zahl der Handwerksbetriebe im Baubereich zurück. Dies ist zum einen durch die demografische Entwicklung im Land begründet, aber auch durch den Rückgang der Auszubildenden und Meister. Fehlende Wertschätzung des Handwerks und der Hang zur akademischen Ausbildung haben ihren Teil dazu beigetragen. Ausschlaggebend für das geringere Interesse an einer Meisterausbildung dürfte auch daran liegen, dass Lehrinhalte vermittelt und geprüft werden, die anschließend in der Praxis nicht angewendet werden dürfen.
Handwerker könnten zur Mangelware werden, besonders im ländlichen Raum. Betroffen sind davon hauptsächlich diejenigen, die eine kleine Baumaßnahme umsetzen möchten, bspw. ältere Menschen, die ihr Haus oder Wohnung altersgerecht umbauen möchten, um möglichst lange in den eigenen vier Wänden bleiben zu können, aber auch Kommunen und Betriebe.
Berufliche und akademische Bildung sind gleichwertig. Das beweist seit 2014 der Deutsche und Europäische Qualifikationsrahmen. Hinsichtlich der Durchlässigkeit des Bildungssystems gibt es jedoch noch viele Baustellen. Bautechniker und Handwerksmeister sind Berufsgruppen, die durch ihr hohes Fachwissen und die praktische Erfahrung Tätigkeiten übernehmen können, für die allgemein ein Hochschulabschluss für erforderlich gehalten wird.
Der berufliche Bildungsweg muss auch in der Praxis eine echte und gelebte Alternative werden. Mit der beschränkten Bauvorlageberechtigung erhält die berufliche Bildung eine Aufwertung. Es gäbe schließlich eine verstärkte Motivation zur Handwerks- sowie Meisterausbildung und eine verbesserte Marktstellung des Handwerksmeisters.
Ferner wäre dies ein wichtiger Schritt für den Erhalt und die Akquise von Fachkräften, da der Ausbildungsweg attraktiver wird. Insbesondere in den Grenzregionen zu Niedersachsen würde sich die Gewinnung von Auszubildenden einfacher gestalten und die Gefahr der Fachkräfteabwanderung verringern. Außerdem bereichert es das Angebot. Bauherren, die für einen verbesserten Bauprozess und geringere Baukosten die Leistungen aus einer Hand wünschen, wären nicht mehr nur auf Bauträger angewiesen.
Versicherungsschutz ist vorhanden
Für die Tätigkeiten eines planenden Bauhandwerkers und Bautechnikers ist ausreichender Versicherungsschutz vorhanden. Unsere Recherche hat ergeben, dass je nach Versicherungsunternehmen entweder eine entsprechende Berufshaftpflicht- oder eine Betriebshaftpflichtversicherung die Planungsrisiken einschließen würde. Selbst für Handwerker, die ein Vorhaben aus einer Hand planen und umsetzen, werden (bspw. von den VHV Versicherungen) Konzepte mit entsprechenden Versicherungsschutz angeboten.
Ein Hinweis zum Vier-Augen-Prinzip: Darunter versteht man, dass wichtige Entscheidungen von mindestens zwei Personen getroffen werden sollten. In erster Linie sind hier der Planer und der Mitarbeiter der Bauaufsichtsbehörde betroffen. Ob der Planer ein Architekt oder Handwerksmeister ist, macht zunächst keinen Unterschied. Fraglich ist, ob tatsächlich auch der Bauausführende ein Mitspracherecht hat. Die Planung ist bereits fertiggestellt, die Unterlagen sind geprüft und die Genehmigung liegt vor. Unter Umständen sucht sich der Planer einen anderen Ausführenden, wenn dieser nicht einverstanden ist. Des Weiteren sind Bauingenieure und Architekten berechtigt, einen Handwerksbetrieb zu führen (Gleichwertigkeit gegenüber einem Meister). Sie können also planen und bauen. Daher kann man für kleine Bauvorhaben den Meistern und Bautechnikern durchaus die Planung und Ausführung aus einer Hand zutrauen.
Positive Gerichtsentscheidungen
Entgegen manchen Behauptungen sind uns keine Gerichtsurteile bekannt, die eine beschränkte Bauvorlageberechtigung verbieten würden. Das Gegenteil ist der Fall. So stellte der Bayrische Verfassungsgerichtshof fest:
"Es sind keine Gesichtspunkte zutage getreten, die den Schluß nahelegten, daß die den Bautechnikern und den Handwerksmeistern des Maurer- und Zimmererfachs im Laufe ihrer Ausbildung abverlangten und durch Erfahrung gefestigten fachlichen Anforderungen nicht ausreichten, um einfache Wohngebäude ordnungsgemäß, insbesondere sicher, wirtschaftlich und frei von Verunstaltungen zu planen …"
Auch das Bundesverfassungsgericht bestätigte:
"Die BauO HE § 91 Abs 4 (…) ist mit GG Art 12 Abs 1 vereinbar, soweit darin die Bauvorlagenberechtigung für die in dieser Vorschrift genannten einfacheren Bauvorhaben mindestens vom Ablegen einer Handwerkerprüfung oder von einer gleichgestellten Qualifikation abhängig gemacht wird. …"
Wie könnte die konkrete Umsetzung der beschränkten Bauvorlageberechtigung für Handwerksmeister und Bautechniker in Sachsen-Anhalt aussehen?