Wandergeselle Paul 1
Handwerkskammer Magdeburg

Paul (22 Jahre)

Heimatort:
auf Wanderschaft seit:
Gewerk:

Lipburg
11. Dezember 2017
Schreiner







Warum hast du dich für die Wanderschaft entschieden?

Als Kind habe ich meinen Eltern immer stolz gesagt, wenn ich groß genug bin, werde ich Zimmerer oder Baggerfahrer. Ich habe mich nach meinem Abitur für die Ausbildung zum Schreiner entschieden und diese dann auch im Oktober 2017 mit meinem Gesellbrief in den Händen abgeschlossen.

Ganz ehrlich, ich wollte nach dem Abitur auch nicht einfach nur drauflos studieren, viele machen das, brechen dann aber später ab. Zugegeben mit meiner Zukunftsplanung bin ich schon etwas exotisch in meiner Familie – mein Vater und mein Bruder sind Architekten.

Auf das Thema „Wanderschaft“ hat mich dann ein Kumpel in Kluft gestoßen. Die Erfahrung ohne viel auskommen zu müssen, von Tag zu Tag zu leben, viele zu reisen und sich beruflich weiterzubilden haben mich einfach fasziniert. Hier gibt auch ganz interessante Lektüre. Das Buch „Mit Gunst und Verlaub!“ fand ich gut.

Was braucht man um auf Wanderschaft zu gehen?

Du musst eine abgeschlossene Handwerksausbildung vorweisen können, nicht mehr als 30 Jahre zählen und ungebunden zu sein. Ungebunden heißt in diesem Fall ledig zu sein, keine Schulden zu haben und auch nicht polizeilich bekannt zu sein.

Außerdem musst du offen für Neues sein und auf Menschen zugehen können - dir wird auf der Straße später nichts anderes übrigbleiben, wenn du nicht jede Nacht im Freien verbringen möchtest oder für eine Arbeit anheuerst. Gerade der Winter ist hart.

Mein Tipp: Sprich mit so vielen Wandergesellen wie möglich, du wirst überrascht sein, wie viele darunter auch Abitur gemacht haben. Ihre Geschichten sind spannend und die Erfahrungen sind Gold wert. Wichtig ist auch die Vorbereitung. Du musst jemanden finden, der dich „losbringt“. Einen Altgesellen, der dich die ersten Wochen begleitet und dir dabei hilft auf der Straße zurecht zu kommen. So ein „Schnack“ (Spruch) will gelernt sein. Matthias hatte ich sogar zweimal getroffen, bevor wir uns dazu verabredet haben.

Es gibt traditionell eine Abschiedsfeier mit Familie und Freunden, bei mir war es ein Samstag. Hier kamen auch andere Wandergesellen vorbei, ich glaube es waren an die 40. Und am Montag bin ich dann auf das Ortschild geklettert und habe mich traditionell rückwärts herunterfallen lassen- meine neuen Wegbegleiter haben mich natürlich aufgefangen – und ab dann ging es los. Erst einmal heißt es ja raus aus dem Bannkreis von 50 km.  Achja und am Ortsausgang wird dann immer noch eine Wein- oder Schnapsflasche vergraben, bei mir war es ein „Paulaner Spezi“, weil ich keinen Alkohol trinke. Die erwartet mich dann bei meiner Rückkehr nach mindestens drei Jahren.

Besonderheiten deiner Kluft:

Der eingeschlagene Kragen der Staude (Hemd) bedeutet, dass man ein Freireisender ist. Freireisende sind nicht „eingebunden“, tragen also keine „Ehrbarkeit“ (Schlips). Wir gehören zum Beispiel keinen „Schacht“ an und müssen uns daher von Anfang an selbst ein Netzwerk aufbauen. Es gibt aber auch „Wildreisende“, also Handwerker ohne Kluft und Buch. So mancher von ihnen entscheidet sich später dann doch für die richtige Wanderschaft.

Wo treibt es dich als nächstes hin?

Gerade bin ich ohne meinen Altgesellen unterwegs, wir treffen uns demnächst wieder und wollen dann zusammen Arbeit suchen. Wahrscheinlich entscheidet es sich dann wo es hingeht. Ansonsten nehme ich mir die Deutschlandkarte vor und schaue, wo es mich hinziehen könnte.

Was sollte man noch über die Wanderschaft wissen?

Du musst es „freiwillig“ machen, sonst wirst du die drei Jahre nicht durchhalten und mache keine großen Pläne, denn es kommt doch sowieso immer anders. Du triffst so unheimlich viele Menschen und jeder Tag ist neu. Manchmal weißt du bis zum Abend nicht, wo du unterkommst. So komisch das vielleicht klingt, aber das macht auch unheimlich frei.  Ach und das sollte man vielleicht auch wissen, Weihnachten und Neujahr sind nicht einfach zum Anheuern für Arbeit.

Was planst Du nach der Wanderschaft?

Puh soweit denke ich noch nicht. Jetzt bin ich erst einmal unterwegs, werde meine Erfahrungen machen, hoffentlich eine Menge Neues lernen und dann sehen, wo es mich hintreibt oder wem ich begegne…

Susann John

Tel. 0391 6268-394

Fax 0391 6268-110

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